
Foto
Foto: be. Oberbürgermeister Ulrich Mägde zeichnete Christa Alefeld 2012 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstorden der Bundesrepublik aus.
DIE GRÜNDERIN
Eine eindrucksvolle Frau
Christa Alefeld,
sie hat das Schweigen gebrochen und den Raum geöffnet, damit über psychische Krankheiten gesprochen werden darf. Mit Mut, Weisheit und Feingefühl hat sie das Stigma genommen und in Verständnis verwandelt, Ausgrenzung in Akzeptanz. Christa Alefeld zeigt uns: Echte Veränderung beginnt dort, wo Menschen einander mit Respekt und offenen Herzen begegnen.
Für eine Aufgabe von solcher Bedeutung fehlen oft die richtigen Worte – und doch bleibt die tiefste Anerkennung.
Ein Trialog, große Wirkung
Als Gründerin der Angehörigengruppe brachte Christa Alefeld Betroffene, Angehörige und Fachleute zusammen – auf Augenhöhe. Sie zwang Ärztinnen und Ärzte, ihre Position zu hinterfragen und in den Austausch zu gehen. So hat sie entscheidend dazu beigetragen, dass psychische Erkrankungen als Teil unserer Gesellschaft gesehen werden – ohne Schuldzuweisung, aber mit Verantwortung
Ein Nachruf über Christa Alefeld von Dr. Sebastian Stierl
Immer hatte sie die Komplexität des Beziehungsgeflechts um den Patienten/die Patientin im Auge, ging es ihr nicht um einseitige Parteinahme, sondern um die Wahrnehmung des Ganzen -oft in seiner tragischen Verstrickung. Zunächst aber konnte sie zu Recht feststellen, dass die Rolle der Angehörigen im psychiatrischen Hilfesystem in sträflicher Weise ausgeblendet wurde. War der Beginn der als „Angehörigenbewegung“ bezeichneten Entwicklung einer selbstbewussten Haltung noch gekennzeichnet von pseudowissenschaftlichen Schuldzuweisungen – die „schizophrenogene Mutter“ war hier ein Höhepunkt – so hatte Christa Alefeld entscheidenden Anteil am respektvollen Austausch aller Beteiligten. Das Konzept des TRIALOGs, des regelmäßigen, gleichberechtigten Austauschs zwischen Betroffenen, ihren Angehörigen und Professionellen, fand deshalb von Anfang an ihre begeisterte Unterstützung. Welch prägende Rolle Christa Alefeld in der Region Lüneburg für die Angehörigen psychisch Kranker, aber auch darüber hinaus gehabt hat, lässt sich nur schwer zusammenfassen:
1986 gründete die damalige Oberstudienrätin am Gymnasium Oedeme aus eigener Betroffenheit eine Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker, aus der der Verein hervorgeht, dessen Vorsitzende sie bis 1998 war. 2 x wöchentliche Offene Treffen, Arbeitstreffen, Wochenendseminare mit dem Psychologen Hans Gronau und das, was man heute „Netzwerkarbeit“ nennt, kennzeichnen ihre Bemühungen. In der Unterstützung anderer, ob einzeln oder in der Gruppe, findet sie auch für sich das, was sie dann so wirkungsvoll in den unterschiedlichsten Formen der Fortbildung oder den Gremien des Verbundes zu vermitteln versteht: die halt-und kraftgebende Erfahrung des Gesprächs.
Nicht als Halbtherapeutin oder antipsychiatrische Kämpferin, sondern als empathische und kluge, analytisch denkende und dabei immer bescheidene Frau konnte sie in ihrem arbeitsreichen Leben eine bewundernswerte Bilanz ziehen: ob die Einführung des Krisendienstes an der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, die Einrichtung der Unabhängigen Beschwerdestelle im Stövchen, die Repräsentanz der Angehörigen im Sozialpsychiatrischen Verbund, die regelmäßige Teilnahme am Markt der Möglichkeiten oder am Weihnachtsbasar des SoKuZ, die Schaffung der Michael-Alefeld-Stiftung zur Förderung chronisch psychisch Kranker, die Teilnahme an der Besuchskommission nach NPsychKG -die zahllosen Tagungen und Seminare -Christa Alefeld war eine Bereicherung für jede Arbeitsgruppe und eine Inspiration für alle Tagungen und Sitzungen, an denen sie teilgenommen hat. Einer Generation von Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung zum Facharzt/zur Fachärztin für Psychiatrie hat sie ein Verständnis der Rolle der Angehörigen psychisch Kranker vermittelt.
Ein wichtiges Anliegen war ihr über viele Jahre die Unterstützung der Gedenkarbeit für die Opfer der Psychiatrie-Verbrechen im Nationalsozialismus. Mit eigenen Recherchen in den Krankenakten des Hauptstaatsarchivs Hannover unterlegt, erschien ihr Aufsatz über „Die Familien der in der Kinderfachabteilung KFA verstorbenen Kinder“ in der 100-Jahr-Festschrift des damaligen LKH Lüneburg. Sie unterstützte die Gedenkstätte bei der Erarbeitung didaktischer Hilfsmittel wie bei der Betreuung der Dauerausstellung. Bei all dem war es nur folgerichtig, dass Christa Alefeld 2012 für ihre Verdienste mit dem
Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt wurde. Am 09.12.2020 ist diese bescheidene Kämpferin für ein menschliches Miteinander im Alter von 92 Jahren verstorben. Was wir ihr zu danken haben, ist in Worte nicht zu fassen.
Artikel aus der Landeszeitung